SPREEWALD: Detailverliebt.

Rechts und links von mir zieht der Wald vorbei. Es muss früh sein, denn über dem Wasser liegt gespenstischer Dunst. Ich sitze in einem Boot, und ein gesichtsloser Mensch mit dunklem Umhang stakt mich wie ein Venezianischer Gondoliere durch die märchenhaft mystische Landschaft. Plötzlich flattert ein aufgeschrecktes Rebhuhn laut kreischend aus dem Unterholz auf: „Rechts abbiegen. Das Ziel befindet sich auf der linken Seite.“ Ich zucke zusammen. Das Navigations-Gerät mit der Rebhuhn-Stimme beendet jäh meinen Tagtraum, und verkündet, dass ich angekommen sei. Endlich, Spreewald, hier bin ich!

Ich kann es kaum erwarten herauszufinden, ob meine Kahnfahrt durch den Spreewald tatsächlich so märchenhaft mystisch wird, und bin gespannt was mich noch so alles in den nächsten vier Tagen erwartet.



Erstmal akklimatisieren: Das Freilichtmuseum in Lehde.

Durch das Spreewalddorf Lehde zu bummeln hat etwas von Zeitreise. Beschauliche Gutshöfe, altertümlich anmutende Häuschen mit vorbildlich gepflegten Vorgärten und krüppeligen, steinalten Obstbäumen hinterm Haus. An jeder Ecke ein kleiner Hofladen, der Leinöl, Spreewaldgurken, Obstbrände, Honig, frisches Bauernbrot, Würstchen und allerlei regionale Köstlichkeiten zum sofortigen Verzehr oder als Souvenir anbietet. Viele der Einheimischen, die hauptsächlich vom Tourismus leben, laufen in der typisch Sorbischen/Wendischen Tracht (am auffälligsten bei den Frauen, die weiße Haube auf dem Kopf, die ein bisschen wie ein überdimensionaler Brautschleier aussieht) herum. Das macht die Illusion der Zeitreise perfekt.

Durch das Dörfchen Lehde ziehen sich Spree-Fließe und -Kanäle. Auf dem Weg zum Freilicht-Museum kann man beobachten, wie der Getränkehändler per Kahn die Bierfässer an die unzähligen Restaurants anliefert. Sogar eine Postbotin stakt mit einem gelben Post-Kahn von Haus zu Haus und verteilt so Post und Päckchen.


Das Freilichtmuseum, das wenige Euro Eintritt kostet, ist wirklich hübsch aufgemacht. Aber eigentlich bräuchte man gar nicht hinein gehen. Hinter der Kasse am Eingang setzt sich fort, was man vor der Kasse schon staunend bewundert hat. Allerdings kann man hier in die alten Bauernhäuser hinein gehen. Kann die kleinen Stuben mit dem alten Mobiliar erleben. In einigen Scheunen wird sogar gearbeitet: Holzkähne werden gezimmert oder Sorbische Trachten bestickt. Ein heimelig entspannender Anblick in Zeiten von Smartphone und Co. Und deshalb bin ich ja schließlich hier: Um ganz unspektakulär auszuspannen. Also Daumen hoch „I like!“.


Reisen bildet: Stadtführung in Lübbenau.

Ich stehe auf Stadtführungen. Echt! Und auch diesmal, in Lübbenau werde ich nicht enttäuscht.

Ein kleine Gruppe Touristen startet mit einer Stadtführerin an der Tourist-Info und spaziert schräg gegenüber in die Sankt-Nikolai-Kirche. Anschließend bietet sich der Märchenbrunnen direkt vor der Kirche zum Verweilen an. Schön, den Legenden und Märchen um die Ludkis (das sind die kleinen Spreewald-Zwerge) und dem Schlangenkönig zu lauschen. Auch die Sage um die Entstehung der Fließe im Spreewald ist wirklich nett (In a Nutshell: Der Teufel spannte zwei Ochsen zum Pflügen an. Die hatten keine Lust, gingen durch und zogen mit dem Pflug quasi unkontrolliert Furchen in den Boden. Dieses liefen mit Wasser voll. Voilà. Fertig war der Spreewald.).


Weiter am ehemaligen Gefängnis, und der Privatbrauerei „Babben-Bier“ vorbei, gelangen wir in das Schloss und den Schlosspark. Mit den historischen Daten und den geschichtlich relevanten Infos um die Grafen zu Lynar verabschiedet sich die Stadtführerin von uns.

Ein kurzweiliger, lehrreicher Zeitvertreib, den ich nur weiterempfehlen kann. Nochmal Daumen hoch „I like!“

Hoch zu Ross: Kremserfahrt in Alt Zauche

Meine Reise-Vorbereitungen im Internet haben ergeben, dass eine Kremserfahrt obligatorisch für einen Spreewald Besuch ist. Insgesamt 19 Teilnehmer kraxeln auf die große Kutsche, vor die zwei bildhübsche Schwarzwälder Kaltblüter gespannt sind. Wir sitzen alle mit dem Rücken zur Außenwand, an einem Tisch, der in der Mitte der Kutsche festgeschraubt ist. Es gibt kalte Getränke, kleine Fläschchen mit Schnäpschen und Kaffee aus Thermoskannen.

Gemütlich rollt das Fuhrwerk vom Ferien-Bauernhof. Auch auf freier Straße kläppern die Hufe der insgesamt acht Beine einen eher gemütlichen Takt. Der Kutscher, plaudert ein bisschen über die Gegend, Land und Leute und langsam entschleunigen die eigenen Gedanken auf das Tempo der dahintrottenden Pferde.


Nach einer Weile schwenkt das Gespann auf einen Feldweg und um uns herum erstrecken sich satte Wiesen und goldene Felder. „Brrrrrr“ wird gebremst und der spitzbübische Kutscher zaubert eine deftige Brotzeit aus diversen Kühltaschen. Leberwurstbrote, Spreewälder Salzgurken und geräucherte Knackwürste. Dazu ein Spreewaldbitter und Softdrinks oder ein Bierchen. Eine warme Brise weht durch den offenen Planwagen und trägt den würzigen Duft von Erde, Getreide und auch etwas Kuhdung mit sich. Zufrieden kaue ich auf meinem Bauernbrot.

„Doppel Like!“. Mach’s nach! Das Geschaukel einer solchen Fahrt zentriert Deine innere Mitte auf einen kleinen, festen, gechillt ausbalancierten Punkt.

Wird mein Tagtraum wahr? Kahnfahrt ab Alt Zauche

Kahnfahrten durch den Spreewald kann man tatsächlich mehr oder weniger überall in und um Lübbenau buchen. Die flachen Kähne der Spreewälder sind liebevoll mit Bänken und gedeckten Tischchen ausgestattet. Je näher man sich am Touristischen Zentrum, Lübbenau, auf ein solches -für Touristen ausstaffiertes- Gefährt begibt, um so -sagen wir- geschäftiger ist das Treiben drumherum, und um so dichter ist der Verkehr auf der Spree.


Ich möchte gerne die stille, natürliche Seite des Biosphärenreservats kennen lernen, und entscheide mich deshalb etwas abseits des Trubels loszuschippern. Meine Wahl fällt auf den Abfahrtsort Alt Zauche. Vom dortigen Hafen geht es am frühen Nachmittag zusammen mit fröhlich schnatternden Touries hinein in den Wald. Geräuschlos stakt unser „Fahrer“ und Guide, durch die schmalen Wasserwege. Mit jedem Meter, den wir gut machen, ebbt das Gemurmel etwas ab. Bis schließlich alle Kahn-Gäste bedächtig schweigen und nur noch Singvögel und Spechte zu hören sind. Da! Das war doch sogar ein Kuckuck.


Mal abgesehen davon, dass der Kahnfahrer keinen dunklen Umhang trägt, ähnelt die ganze Situation doch schon sehr meinem Tagtraum. Mystischer Märchenwald. Wie herrlich. Nach zweimal links und einmal rechts abbiegen habe ich die Orientierung verloren. Immer tiefer windet sich das Fließ in den Wald. Da huscht ein Eisvogel dicht übers Wasser. So, genau so habe ich es mir vorgestellt.

Nicht nur, dass ich diese Kahnfahrt jederzeit wieder machen würde. Nein, ich will gar nicht, dass es endet. Nicht nur einfach ein „I like!“, sondern ein „Once in a lifetime must do!“.


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