LISSABON: Stopoverflow



Flüge sind erschwinglicher denn je. An Wochenenden stürmen Horden von Touristen durch die Europäischen Städte. Warum ich mich ausgerechnet an einem langen Wochenende durch das übervolle Lissabon quäle, und warum Übertourismus seitdem kein geflügeltes Wort mehr für mich ist? Das kam so:

Eigentlich sind wir auf dem Weg zum Badeurlaub auf den Kapverden.
Eigentlich sollten wir gegen Mittag in Frankfurt losfliegen.
Eigentlich hätten wir einen fünfstündigen Zwischenstopp in Lissabon.
Eigentlich wollten wir mit dem Taxi in die Stadt fahren, entspannt bummeln, ein, zwei oder drei Pastel de Nata schlemmen, und danach sofort weiterfliegen.
Doch dann informiert der Reiseveranstalter uns kurzfristig über eine Flugzeitänderung. Wir fliegen schon ganz früh morgens los, haben einen mehr als zwölfstündigen Stopover in Lissabon und sind mehr als 24 Stunden unterwegs, bis wir endlich wieder eine Zimmertür hinter uns schließen können.
Eigentlich toll, weil wir so mehr von Lissabon sehen können.
Eigentlich die perfekte Gelegenheit eine Zwischenübernachtung in Lissabon einzuschieben.
Uneigentlich bei einer Pauschalreise nicht möglich, bzw. vom Veranstalter nicht als Alternative umbuchbar.
Tja. So kommt es, dass wir an einem langen Wochenende früh morgens in Lissabon einschweben. Wir sind seit drei Uhr nachts wach. Als das Taxi uns am Praça do Comércio ausspuckt, kann ich es kaum erwarten einen leckeren kleinen portugiesischen Kuchen zum Frühstück zu verspachteln.


Die ersten Fotos am Meer sind gemacht und die kühle, noch leere Fußgängerzone lockt und mit herrlichen Cafés. Unser Frühstück ist grandios. Süße und deftige Pasteten stärken uns für den Tag. Dabei ahnen wir noch gar nicht wie anstrengend es werden wird.



Ziellos schlendern wir durch die schmalen Straßen. Die gekachelten Häuserwände sind echte Hingucker.


Unerwartet stoßen wir in einer kleinen Gasse auf den Aufzug, der den Stadtteil Baixa mit dem höher gelegenen Stadtteil Chiado verbindet. Da wollen wir mit! Zielstrebig steuern wir auf den vermeintlichen Eingang zu, stellen dann aber fest, dass wir schon eine ganze Weile an anstehenden Menschen vorbeilaufen. Wo die wohl hinwollen? Erst am Eingang zum Aufzug wird mir -Naivling- klar "Die wollen alle in den Aufzug." Geschätzte Wartezeit zwischen 30 und 60 Minuten. Au weija!


So bewundern wir diese Sehenswürdigkeit eben nur von außen und spazieren weiter.
Bei meinem Stöbern durch diverse Reiseführer habe ich gelesen, dass eine Fahrt mit der Tram 28 ein Muss für jeden Lissabon-Besucher ist. Das wollen wir machen! Die Schlange vor der Haltestelle reicht fast um einen ganzen Häuserblock und wir sind geschockt, als eine Tram 28 an uns vorbeirattert. Touristen quetschen sich wie Sardinen in die zum Bersten gefüllte Büchse. Au weija! So bewundern wir diese Sehenswürdigkeit eben nur von außen uns spazieren weiter.


Vom Rossio aus kann man einige Miradouros (Aussichtspunkte) auf den Hügel sehen. Da wollen wir hin!


Gemütlich kraxeln wir den erstbesten Weg, der nach oben verläuft hinauf. Tatsächlich erblicken wir immer wieder Schilder, die auf Aussichtpunkte verweisen. Diesen Schildern folgend, gelangen wir zum Castelo de São Jorge, und sind kein bisschen überrascht eine Warteschlange vor dem Ticket-Schalter zu erblicken. Au weija!


8.50 Euro Eintritt für ein altes Kastell mit Aussichtsterrasse finde ich extrem unverschämt, aber weil wir nicht umsonst auf den Hügel geklettert sein wollen, reihen wir uns in die Gesellschaft der wartenden Touristen ein. 90 (in Worten neunzig!) Minuten später stehen wir an der Burgmauer und blicken auf die roten Dächer von Lissabon. Der Warte-Ärger ist vergeben (aber nicht vergessen!) und es fühlt sich für einen Moment wie Urlaub an.


Es ist bereits Nachmittag als wir zurück zum Stadtzentrum schlurfen. Unsere Schritte sind schon lange nicht mehr so energiegeladen wie am Morgen. Das frühe Aufstehen beginnt seinen Tribut zu fordern. Eine gute Ausrede sich wieder der leiblichen Kultur zu widmen. Wir halten Ausschau nach freien Stühlen in einem der kleinen gemütlichen Cafés oder Restaurants, aber Fehlanzeige. Au weija! Frustriert landen wir in einem großen, touristischen Restaurant am Marktplatz. Ist uns jetzt auch egal. Wir müssen einfach mal verschnaufen.


Gerade als wir beratschlagen was wir mit unserer verbliebenen Restenergie anfangen könnten, was wir noch anschauen möchten, geht ein Platzregen nieder. Von jetzt auf gleich suchen Touristen und Einheimische Schutz in Hauseingängen, unter Café-Markisen und Mauervorsprüngen. Der Regen setzt immer mal wieder aus, als wolle er die Menschen wieder unter freien Himmel locken, um dann wieder ohne Vorwarnung herunter zu platschen. Wetter ändert man nicht. Da gibt es nichts zu lamentieren. Kurzer Blicktausch und wir haben uns entschieden: Die müden Knochen wollen zurück zum Flughafen. Der Geist ist noch willig... aber... die Fußgängerzone pitschenass.

Seitdem registriert meine „selektive Wahrnehmung“ immer mehr Posts, Magazin-Artikel oder Berichte über „Overtourism“. Bisher war das für mich nur ein Hirngespinst, aber mit jedem Ausflug, jeder Reise wird dieses Phänomen immer greifbarer für mich. Ist „Overtourism“ am Ende das Heilmittel gegen mein Reisefieber?

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen