
Fünf
Tage Pauschalreise mit einem Billiganbieter nach Sankt Petersburg. Anreise per
Flugzeug nach Helsinki, und von dort mit der Fähre in das Venedig des Ostens.
Danach in umgekehrter Reihenfolge wieder zurück nach Hause. „Kreuzfahrtfeeling“
wird im Prospekt angepriesen.
Ist
das ein sinnvolles Arrangement? Reichen drei Tage tatsächlich aus, um die
Highlights von Sankt Petersburg kennenzulernen?
Das
sind meine Erfahrungen:
Über
die Ostsee
Typisch für eine Pauschalreise, nimmt eine
Vertreterin der Reiseleitung rund fünfzig vorfreudige Touristen am Flughafen Helsinki
in Empfang. Sie begleitet die Gruppe in einem Transferbus bis zum Fährterminal
der St. Peter Line, und winkt freundlich als der Pulk dort einmarschiert.
Im Terminal bekommen wir unsere Bordkarten.
In der einen Hand Bordkarte und Reisepass und mit der anderen Hand den Koffer
lässig hinter mir herziehend, schreite ich die Gangway zum riesigen Schiff
entlang. Fühlt sich tatsächlich, wie im Reiseprospekt versprochen, nach
Kreuzfahrt an.
Unsere neun Quadratmeter große Kabine
erinnert uns schnell daran, dass wir uns auf einer Auto-Fähre, und nicht auf
einem Luxus-Liner befinden. Die Enge der Kabine und Getränke in Plastikbechern
von der Bar auf dem Oberdeck sind aber auch das einzige an dem ich herummäkeln
möchte. Alles andere machen wir uns einfach schön. Nicht mal ein
Frühstücks-Büffet mit 1400 anderen Reisenden (hauptsächlich Chinesen) verdirbt
uns die Laune.
An Bord befindet sich eine Vertreterin
des Billig-Reiseveranstalters. Sie hat ihren Schäfchen den Geheimtipp gegeben,
sich nach dem Frühstück auf dem Auto Deck einzufinden. Dieses Deck würde zuerst
geöffnet, und so wären wir dann auch die ersten an der Passkontrolle und
müssten nicht stundenlang warten. „Toller Tipp!“ denke ich noch auf dem Weg zu
Deck drei, wo sich der Zugang zu den Autodecks befindet. „Toller Tipp!“ denken
sich bestimmt auch die rund vierzig Personen, die im engen Gang vor mir auf das
Öffnen der Türen zum Auto Deck warten. Hinter mir drängen Reisende nach. Im
stickigen, engen Gang warten irgendwann mehr als 100 Menschen gemeinsam darauf,
dass sie endlich das Deck betreten dürfen, von dem aus wir das Schiff verlassen
können. Als sich die heftig bedrängte Tür öffnet, quillt die Menschenmasse in
eine auto-leere Halle. So groß diese Halle auch ist. Sie füllt sich allmählich
mit Menschen. Toller Geheimtipp. Als sich die Ausfahrtsrampe der Fähre langsam
mit mechanischem Gegurgel und gelbem Warnlicht-Geblinke öffnet, setzen sich die
Menschenmassen in Bewegung als würde ein Marathon starten. Wenn mir nicht
ständig Koffer in die Hacken und über die Füße rollen würden, müsste ich glatt
lachen. Tatsächlich spurten einige Reisende los, als wollten sie sich vom
Verfolgerfeld absetzen. Auch ältere, gebrechlich wirkende Touristen legen,
gestützt durch Koffer und Krücke, eine beachtliche Geschwindigkeit vor. Eine
surreale, absurde Szene.
Absurder
Start ins prunkvolle St. Petersburg
Nachdem der russische Einreisestempel mit
lautem ‚Wums‘ auf der Einreisekarte (bei Ankunft per Fähre sind 72 Stunden
Aufenthalt visumfrei) gelandet ist, hüpfen wir in den erstbesten Bus, den ein
Schild unseres Veranstalters ziert.
Eine dreistündige Stadtrundfahrt mit
diversen Fotostopps lässt keinen Zweifel daran, dass es sich hier um eine
Pauschalreise handelt. Gnadenlos durchgeplant.
Obwohl ich mir sehnlichst wünsche endlich
mal im Hotel anzukommen, um die Kleidung wechseln zu können, sinkt meine Laune
trotzdem, als wir vor das Gebäude mit den fünf Reisebussen fahren. In der Lobby
des Hotels geht es geschäftiger zu als in der Frankfurter Konstabler Wache.
Schulklassen, Reisegruppen und Einzelreisende bilden lange Schlangen vor der
Rezeption und den Aufzügen.
Der Billigveranstalter hat Tische in der
Lobby aufgestellt und vertreibt munter Ausflugs-Voucher an die mehr als 150
Schnäppchenjäger, die sich zu dieser kleinen Dummheit haben hinreißen lassen.
Das planwirtschaftliche Anstehen nach den
Ausflugs-Vouchern hat so lange gedauert, dass es für das frischmachen und
umziehen leider nicht gereicht hat. Die erste Exkursion in die große Russische
Stadt steht an. Svetlana, eine ältere Dame, führt das Regiment in einem der
sechs vollbesetzten Ausflugsbusse.
Sie setzt ganz klare Prioritäten in der
Reihenfolge der kulturell wichtigen Informationen. Nach wenigen Minuten Fahrt
erklärt sie mit breitem Russischen Akzent „Bei uhns in Ruuhsland, Woodga ist
Mähdizin. Hilft für Nervähn uhnd für Mohgenbestihmung.“
Gut. Message angekommen. Wir werden zum
Mittagssnack einfach einen Wooooodga zwitschern. Vermutlich nervt uns dann das
Pauschalreise-Chaos etwas weniger.

So.
Jetzt aber mal zum eigentlichen Thema.
Sankt Petersburg.
Das Venedig des Ostens.
Sankt Petersburg.
Das Venedig des Ostens.
Kaiserwetter. Die Newa glitzert in der
Sonne. Jet-Boote überholen Touristen-Boote. Am Horizont kann man unzählige
goldene Türmchen entdecken. Entlang des Flusses reihen sich Paläste an Paläste.
Alles herrlich restauriert, repräsentativ hergerichtet. Es ist einfach
unfassbar schön.
Um Svetlana nochmals zu zitieren: „Währ
Pätärbuhrrrrrg gesähen hot, der weiss waruuuhm wir soogen Moooskau ihst uhnser
grrrößter Vorohrt.“
In der Tat. Die Stadt ist riesig.
Immerhin die viertgrößte Europas. Und sie hat viel zu bieten. Zwei ganze und
zwei halbe Tage schauen wir und die kulturellen Highlights der Stadt an.
Die
Auferstehungs- oder auch Blutkirche.



Der
Peterhof.

Der Morgen beginnt mit Schlange stehen.
Gehört anscheinend irgendwie überall dazu. Nach einer geschlagenen Stunde
schiebt mich die Masse Besucher aller Nationalitäten durch das große Schloss.
Das innere des Schlosses erschlägt einen.
Prunk und Protz in jeder Pore.
Wirklich schön wird es, als wir uns die
Schuhüberzieher von den Füßen reißen und endlich den herrlichen Garten mit den
unzähligen Fontänen anschauen dürfen. Ein Versailles an der Ostsee. Auf dem
großen Areal verlieren sich die Menschenmassen und das Flanieren an der Sonne
lässt sogar Urlaubsstimmung aufkommen.
Die
Eremitage.


Bevor ich mich versehe, stehe ich schon
wieder in einer endlos scheinenden Schlange an einem Museumseingang. Diesmal werde
ich mich durch die Eremitage schieben lassen. Das Gebäude ist weitläufig und
bewahrt in seinem Inneren Werke von Rembrandt, Rubens, Matisse, Gauguin, Da
Vinci und Picasso. Entsprechend groß das Interesse aller Besucher. Vor einem
DIN A4 großen „Gemälde“ von Da Vinci kommt es nahezu zu Ausschreitungen
zwischen Asiatischen Touristen, weil jeder schnell ein Foto schießen will,
bevor er weitergeschoben wird.
Man sollte sich entweder wirklich gut in
die Materie einlesen, oder sich einen Guide nehmen. Erst dann offenbart sich
einem die wahre Schönheit der Kunst.
Die
Isaacskathedrale bei Nacht.

Am besten terminiert man den Besuch der
Isaacskathedrale auf den späten Nachmittag. Dieses Bauwerk ist ein Gigant. Bei
Licht betrachtet und die wichtigsten Eckdaten angelesen, beeindruckt die
Kathedrale bis ins Detail. Erbaut auf Eichenstämmen, die das gigantische
Gewicht vor dem Versinken im Sumpf schützen. Gekrönt von einer der größten
Kuppeln der Welt. Durchschreitet man die riesenhaften Holztore am Eingang,
raubt es einem den Atem. Bitte unbedingt selbst anschauen. Das ist im wahrsten
Sinne des Wortes unbeschreibbar.
Gegen Abend gilt es die rund 200 Stufen
hinauf zur Aussichtsplattform zu kraxeln. In meinem Fall bedenklich schnaufend
und zugegebenermaßen laut fluchend oben angekommen, erstirbt Zetern und Meckern
schnell. Im Zwielicht der „Weißen Nächte“ erstrahlt die beleuchtete Stadt.
Vielleicht ein kleiner Geheimtipp, denn
im Vergleich zu dem Geschiebe vor und in den Museen und Schlössern, ist hier
oben nichts los. Kaum Menschen und schon gar kein Gedränge. Was für eine schöne
Verschnaufpause.

Private
„Taxis“. No risk, no fun.
Die Metro in Sankt Petersburg ist
kinderleicht zu benutzen. Alle Stationen sind auch in lateinischer Schrift
angegeben. In Automaten kann man sich Münzen ziehen, die als Ticket fungieren.
Ich bin mit einem Einheimischen
unterwegs. Anstatt zur etwas weiter weg gelegenen Metro Station zu laufen,
streckt er kurzerhand einen Arm Richtung Fahrbahn aus. Sekunden später bremst
ein privater Pkw und bietet uns an, uns zum Hotel zu fahren. Ich bin hin und
her gerissen. Zuhause würde ich doch auch nicht bei einem Fremden einsteigen.
Warum also hier? Weil –so erklärt mein einheimischer Freund- es hier so üblich
ist. Junge Sankt Petersburger lieben es abends ihre Autos spazieren zu fahren.
Dabei verdienen sie sich den ein oder anderen Rubel dazu, indem sie –illegal!-
als privates Taxi fungieren. Mir ist ganz schön mulmig, und ohne eine lokale
Begleitung würde ich mich das auch niemals trauen.
Der
Pavlovsk Sommerpalast.
Der Pavlovsk Sommerpalast ist auch nur
ein Schloss. Sehr schön gelegen. Idyllisch und ohne Gedränge. Mein Geschmack an
prunkvollen Thronsälen, Kristall-Lüstern und protzigen Brokat-Tapeten ist mittlerweile
zwar schon gedeckt, aber zumindest darf ich hier in Ruhe schauen und staunen,
ohne, dass mich touristische Massen weiterschieben.
Der
Katharinen-/Puschkin-Palast.
Russland verabschiedet sich würdig. Im
Katharinen-Palast (auch Puschkin-Palast) hat man eine Replik des verschwundenen
Bernsteinzimmers erstellt. Laut Führer ist es besser, größer und schöner als
das verschwundene Original. Ich kann ein spontanes Kichern nicht unterdrücken.
Ich habe in den wenigen Tagen viele Guides kennen gelernt. Eine grundsätzliche
Aussage kam von allen: Russland ist größer, besser und schöner, als der Rest
der Welt. Gut. Ich lasse das mal so im Raum bzw. im Bernsteinzimmer stehen.
Es ist weniger der Anblick des Raumes mit
den gelbbraunen Plastikwänden, als der Mythos des verschollenen Kunstschatzes,
der mich in den Bann zieht. Verschwörerisch senkt der Guide die Stimme und
flüstert in die Runde „Maahn gllllauuuhbt, Ahmerikahnüsche Kuhnst-Sahmmlär
haben das ähchte Ziehmär entfüührt.“
Ja, nee, ist klar. Unter seinem strengen
Blick unterdrücke ich einen weiteren Kicheranfall. Ich brauche meine tägliche
Ration Wodka. Na dann, Nasdrowje.
Khachapuri-Imeruli
und Tschatscha.
Es gibt einige Georgische Restaurants in
der Stadt. Sehr fleisch- und fettlastig, aber dabei unglaublich lecker.
Bestimmt bekommt man von jedem Hotel gute Tipps wo man einkehren kann.
Khachapuri-Imeruli, georgisches
Fladenbrot gefüllt mit Käse, ist mein neuer Futter-Favorit. Tschatscha, der
„kaukasische Grappa“ hat meistens mehr als 60% Alkohol und haut einen aus den
Latschen. Obwohl man zum Essen eine kleine Karaffe voll gereicht bekommt, bitte
lieber vorsichtig testen. Ich habe Dich gewarnt. Nasdrowje.
Fazit
1) Eine Pauschalreise mit einem
Billigveranstalter ist eine Pauschalreise mit einem Billigveranstalter. Wer
weder besonders luxuriöse noch individuelle Behandlung erwartet, kann hier
unter Umständen ein Schnäppchen machen.
2) Sankt Petersburg ist großartig und ein
absolutes Must-See für jeden Reise Begeisterten. Deshalb ist diese Stadt auch,
insbesondere während der „Weißen Nächte“, mit Touristen überflutet. An vielen
Uferabschnitten der Newa liegt Kreuzfahrtschiff hinter Kreuzfahrtschiff an. Ich
weiß es nicht mit Sicherheit, vermute
aber, dass man außerhalb der Saison eine bessere Chance hat sich in Ruhe eine
der Hauptsehenswürdigkeiten anzuschauen. Das elendige Schlange stehen kann ganz
schön nerven. Durch das Geschiebe in den Schlössern und Museen hat man so gar
keine Gelegenheit mal den Flair der alten Zarenzeit aufzusaugen. Der Prunk und
Protz verdaut sich mit etwas beschaulicher Ruhe bestimmt viel besser.
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