Augen zu. Finger wild in der Luft kreisen. Luft anhalten.
Mit dem Finger auf einen Ort in der Europakarte zeigen. Polen. Mh? Neuer
Versuch. Augen zu. Finger in die andere Richtung kreisen, leicht blinzeln und
die Fingerspitze wieder in das wellige Papier graben. Polen. Weiter südlich. Oh
Mann. Also gut. Dann sollte das so sein. Ich würde für eine Woche nach
Süd-Polen reisen. Mein Magischer Reise-Finger hatte entschieden. Und es gab in
der Tat viel zu entdecken und erleben. Zum Beispiel:
Warum es sich lohnt einen Abstecher in das kleine,
abgelegene Dorf Berezka zu machen.
Wie Breslau es geschafft hat, Krakau zu übertreffen.
Warum ein Bus in Lemberg, in der Ukraine, zur
Zeitmaschine wird.
Warum die Waldbahn in Majdan im wahrsten Sinn des Wortes
stinklangweilig ist.
Welche salzige Überraschung mich in Wieliczka erwartet.
Karino Spa in Berezka
Berezka liegt etwas ab vom Schuss und
ist –für meinen persönlichen Geschmack- kein besonderes, touristisches
Highlight. Das Hotel Karino Spa in Berezka hat es mir angetan. Obwohl ich mich
meistens mit Hotel Empfehlungen zurückhalte, kann ich diesmal nicht
widerstehen. Im familiengeführte Haus sind alle Gemeinschaftsräume und
Treppenhäuser sind liebevoll aufwendig mit beinahe freskenartigen Gemälden
verziert. Die Bilder in den Fluren und Zimmern zeigen hauptsächlich Reit- und
Pferdemotive. Pferde sind hier das zentrale Thema. „Karino“ war –so erklärt man
mir- ein berühmtes Filmpferd. Quasi der Polnische Black Beauty. Und nach ihm
wurde das Hotel benannt. Die Hotelier Familie hat einen großen Reitstall mit
umwerfend schönen Tieren.
Sie bieten Ausritte und Reitstunden an. Sucht man
Ruhe und/oder liebäugelt mit dem Reitsport, halte ich das Hotel Karino Spa für
einen potentiellen Geheimtipp.
Einziger kleiner Wermutstropfen:
Gleich ums Eck vom Hotel ist ein Supermarkt. In Ermangelung einer Dorfkneipe
versammeln sich hier die Jugendlichen. Mit zunehmender Dunkelheit steigt der
Alkoholpegel. Obwohl die Jugendlichen nicht aufdringlich oder gar aggressiv sind,
ist es unangenehm durch die Herumlungerer hindurch zu laufen. Wenn man also
einkaufen möchte, dann vielleicht einfach vorsichtshalber tagsüber im Hellen.
Breslau versus Krakau
Das ist so eine Sache mit der
Erwartung.
Von Krakau erwarte ich großes Kino.
Der Wawel soll mich beeindrucken. Der Marktplatz soll mich unterhalten. Ich
schließe mich einer Stadtführung an und bin gespannt.
Der Wawel ist weitläufig und sehr
interessant. Die Kathedrale mächtig und pompös. Es gefällt mir hier. Punkt. Es
sind mehr die Art Eindrücke, die im Laufe der Zeit verblassen werden, als die
von denen man in zehn Jahren noch schwärmt. Schade, aber auch solche muss es
geben.
Der Marktplatz ist angefüllt mit
Touristen. Der Panoramablick über die Tuchhalle zu den Fassaden der umliegenden
Geschäftshäuser ist herrlich. Zur vollen Stunde ertönt das Trompetensignal aus
dem Turm der Marienkirche. Hier punktet Krakau ungemein. Der Hauptmarkt hat
regelrecht südländischen Flair. Absolut empfehlenswert.
Breslau habe ich bei der Reisevorbereitung
so gar keine Beachtung geschenkt. Quasi null Erwartung an diese Stadt. Ich
werde mehr als angenehm überrascht. Breslau ist zauberhaft. Der Marktplatz am
Rathaus ist wird umrahmt von faszinierenden Fassaden. Es gibt viele nette
Restaurants und Keller, die -für mein Dafürhalten- ein besseres Preis-Leistungsverhältnis
bieten, als die Lokale an den Touristen Hotspots.
Überall in Breslau verstecken sich
Zwerge. Über 250 sollen es sein. Egal wo man geht oder steht, sieht man irgendwo
einen der kleinen Gesellen sitzen. Ich mag diese Liebe fürs Detail sehr.
Deshalb gewinnt Breslau mein Herz und ich plane gedanklich schon das nächste,
lange Wochenende hier.
Zeitreise nach Lemberg
Als besonderes Schmankerl gönne ich
mir einen Abstecher von Süd-Polen in die Ukraine, ins bekannte Lemberg.
Kaum habe ich die
Polnisch-Ukrainische Grenze bei Medyka überquert werde ich still und fühle mich
auf seltsame Weise betroffen.
Die Schlaglöcher auf der schmalen
Landstraße sind ellentief. Die Häuser sind klein, scheinen in Schuss, wirken
aber auch irgendwie provisorisch. In den großen Gärten knien alte Frauen und
jäten Unkraut. Ein junger und ein alter Mann versuchen mit einem uralten Pflug
ein Feld zu beackern. Der junge Mann ist dabei eingespannt wie ein Pferd oder
Ochse.
Ich habe so etwas noch nie gesehen.
Zumindest nicht außerhalb einer historischen Dokumentation im Fernsehen.
Meine Vorfreude auf Lemberg ist getrübt.
Es kommt mir vor, als hätte ich mich mit nur wenigen Strecken-Kilometern sechzig
bis siebzig Jahre in der Zeit zurückbewegt.
In Lemberg setzt sich fort, was sich
unterwegs angekündigt hat. Es fehlt an Geld und Struktur. Das hätte ich ehrlich
gesagt überhaupt nicht erwartet. Lemberg hat reiche Kultur und könnte eine strahlende
Schönheit sein. Beim Blick in eins der wenigen Cafés offenbart sich beinahe
Jugendstil-Charm. Leider entdecke ich nicht ein Gebäude, das vernünftig
renoviert bzw. restauriert ist. Die meisten Gebäude sind angeschwärzt (von Kohleöfen?)
und der Putz bröckelt von den Wänden. In mir bröckelt ein bisschen das Bild meiner
Vorstellung eines heilen Europas.
Waldbahn in Majdan
Ab/bis Majdan verkehren mehrere
Schmalspurbahnen in den Waldkarpaten. Die kurzen Ausflüge mit den historischen
Dampfzügen werden als Touristenattraktion hoch gelobt. Das muss man mögen, denn
ich kann dieser ruckeligen Fahrt durch den Wald nichts abgewinnen. Man sieht
vor lauter Bäumen den Wald nicht, der Zug ist zu laut, als dass man Tiere sehen
könnte, und zudem verpestet der stinkende Ruß der Lok die Umwelt.
Ich habe mich auf diesen Ausflug
gefreut, und bin jetzt einfach nur enttäuscht. Diese vermeintliche Touristenattraktion
kann ich nicht weiterempfehlen. Lieber ein bisschen durch die wunderbare Natur
spazieren. Dichte Wälder und satte, grüne Lichtungen wechseln sich ab.
Traumhaft.
Salzbergwerk in Wieliczka
„Besuchen Sie des Salzbergwerks
Wieliczka (UNESCO Weltkulturerbe)“ steht auf einem mehrsprachigen Plakat, das
im Hoteleingang hängt. „OK. Warum nicht.“ denke ich mir. Gedacht, gemacht.
Über den Eintrittspreis bin ich gelinde
gesagt entrüstet. Für Polnische Verhältnisse sind 20 Euro eine knackige Ansage.
Zu Fuß gelangt man über endlose
Stufen beinahe acht Stockwerke unter die Erde in den ersten Besucherstollen.
Der Guide, der exzellent Deutsch spricht, legt los, und es dauert keine zwei
Minuten, da hat er die fünfzehn Besucher seiner Gruppe in den Bann gezogen. Die
Fakten, die er aufzählt sind allesamt Superlative „tiefste… längste… älteste…“.
Der Humor des Guides ist großartig. Er hat stets die Lacher auf seiner Seite,
bleibt niemandem eine Antwort schuldig, und hat leichtes Spiel mit uns, denn
das Bergwerk ist toll. Sehr interessant.
Eindrucksvoll und überraschend
abwechslungsreich mit künstlerischen Objekten, unterirdischen Kapellen, und
-das ist das Highlight- einem riesigen Saal, in dem alles, sogar die
Kronleuchter aus Salzkristall bestehen.
Die zwei Stunden Spaziergang unter
Tage vergehen wir im Flug und sind jeden Zloty wert. Das sollte man auf gar
keinen Fall verpassen. Absolut empfehlenswert.
Hallo Diane, wir waren kürzlich auch spontan in Süd-Polen unterwegs, und was soll ich sagen, wir hatten genau den gleichen Eindruck wie du. Krakau ist ja sehr schön. Aber Breslau, wow, das hätten wir nicht erwartet. Da wir mit unserem privaten PKW reisten waren wir etwas flexibel und haben in der Region außerhalb von Breslau ein paar phantastische Kirchen entdeckt (UNESCO Weltkulturerbe) Nun jetzt bin ich kein Kirchgänger aber die Kunst dort drinnen war schon der Hammer. Wenn du interessiert bist kannst du hier http://www.travel4pictures.com/poland ein paar Bilder gucken. Es sind noch nicht alle Bilder auf der Seite aber man bekommt einen schönen Eindruck. Liebe Grüße Jürgen
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